Kein gutgläubiger Kfz-Erwerb trotz Fahrzeugbrief

Die Vorlage eines Fahrzeugbriefs reicht für den gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtwagens nicht immer aus. Geben die Gesamtumstände beim Kauf Anlass zu Zweifeln, kann dies die Gutgläubigkeit zerstören.

Das LG Frankenthal hat den Käufer eines Gebrauchtwagens zum Preis von über 35.000 EUR zur Rückgabe des Fahrzeugs an den wahren Eigentümer verurteilt, obwohl beim Kauf des Fahrzeugs ein täuschend echt aussehender Fahrzeugbrief vorgelegt wurde.

Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs zum Preis von 35.000 EUR

Der Kläger des vom LG Frankenthal entschiedenen Falls hatte von einem Betrüger ein Gebrauchtfahrzeug für mehr als 35.000 EUR erworben. Er staunte nicht schlecht, als kurz nach dem Kauf das Fahrzeug von der Polizei beschlagnahmt wurde. Der wahre Eigentümer hatte das Fahrzeug als gestohlen gemeldet. Nachdem dieser das beschlagnahmte Fahrzeug zurückerhalten hatte, verkaufte er es für ca. 49.000 EUR weiter.

Erstkäufer fordert Herausgabe des Surrogats

Der betrogene Erstkäufer war der Auffassung, dass er wirksam Eigentum an dem Fahrzeug erhalten hatte, da er bei dem Erwerb aufgrund des vorgelegten Fahrzeugbriefs gutgläubig gewesen sei. Da der vorherige Eigentümer das Fahrzeug inzwischen weiterveräußert habe und diesem die Herausgabe deshalb nicht mehr möglich sei, beanspruche er den erzielten Kaufpreis von knapp 49.000 EUR als Surrogat für das Fahrzeug gemäß § 285 BGB für sich.

Verlegung des Besichtigungsorts vom Saarland nach Frankreich

Vor Gericht schilderte der Kläger die Umstände des Erwerbs des Fahrzeugs. Das Fahrzeug habe er im Internet ausfindig gemacht und sich mit dem Anbieter im saarländischen Dillingen zur Besichtigung verabredet. Auf dem Weg zum Besichtigungstermin habe er auf seinem Smartphone eine Mitteilung erhalten, das Kind des Verkäufers habe ein Treppensturz erlitten und befinde sich in Frankreich in einem Krankenhaus. Der Verkäufer habe sich um sein minderjähriges Kind kümmern müssen und ihn deshalb gebeten, die Besichtigung auf dem Parkplatz vor dem französischen Krankenhaus vorzunehmen. Er habe diesem Ansinnen zugestimmt weil der Weg vom ursprünglich verbredeten Ort bis zu dem französischen Krankenhaus nicht besonders weit gewesen sei.

Vorlage eines täuschend echt aussehenden Fahrzeugbriefs

Auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus habe der Verkäufer einen echt aussehenden Fahrzeugbrief sowie einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt. Der Verkäufer habe auf ihn seriös gewirkt und keine Veranlassung gegeben, daran zu zweifeln, dass es sich um den wirklichen Eigentümer des Fahrzeugs handle. Er sei daher beim Erwerb in gutem Glauben an das Eigentum des Verkäufers gewesen.

Grobe Fahrlässigkeit schließt Gutgläubigkeit aus

Anders als der Kläger sah das Gericht aufgrund der Gesamtumstände für den Kläger erheblichen Anlass, an der Seriosität des Verkäufers zu zweifeln. Gutgläubiger Eigentumserwerb setze gemäß § 932 Abs. 2 BGB voraus, dass dem Käufer nicht bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Kaufsache dem Veräußerer nicht gehört. Im konkreten Fall hatte der Kläger nach Auffassung des Gerichts grob fahrlässig gehandelt, denn die Gesamtumstände der Vertragsabwicklung hätten ihm Veranlassung zu erheblichen Zweifeln an dem Eigentum des Verkäufers geben müssen.

Auffällige Ungereimtheiten

Nach der Bewertung des Gerichts war die Art der Verkaufsabwicklung geradezu typisch für eine Veräußerung durch einen nicht berechtigten Verkäufer. Der Verkäufer habe das mit einem deutschen Kennzeichen versehene Fahrzeug statt wie ursprünglich beabsichtigt nicht im saarländischen Dillingen, sondern nach einer kurzfristig mitgeteilten Änderung des Besichtigungsortes in Frankreich übergeben. Der Verkäufer habe zum Nachweis seiner Identität einen belgischen Aufenthaltstitel vorgelegt, während er im Kaufvertrag seinen Wohnsitz in Frankenthal angegeben habe.

Fahrzeugbrief allein reicht für Gutgläubigkeit nicht aus

Diese Umstände hätten dem Kläger nach Auffassung des Gerichts ein Warnsignal sein müssen. Die aufgetretenen Ungereimtheiten hätten jedem vernünftigen Käufer Veranlassung gegeben, an den Angaben des Verkäufers zumindest zu zweifeln, auch wenn der Fahrzeugbrief täuschend echt ausgesehen habe. Ein täuschend echt aussehender Fahrzeugbrief könne zwar grundsätzlich zu einem gutgläubigen Erwerb führen, dies aber nur unter der Voraussetzung, dass die Gesamtumstände der Geschäftsabwicklung keinen Anlass zu Zweifeln an der Eigentümerstellung des Verkäufers geben.

Kläger handelte grob fahrlässig

Zu den vielen Auffälligkeiten und Ungereimtheiten komme hinzu, dass der nicht unerhebliche Kaufpreis für das Fahrzeug in bar gezahlt werden sollte und auch wurde. Angesichts der Gesamtumstände sei die die Übergabe von 35.000 EUR in bar auf dem Krankenhausparkplatz als grob fahrlässiges Verhalten des Klägers zu werden. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb sei unter diesen Umständen ausgeschlossen.

Zahlungsklage abgewiesen

Das LG verneinte mit diesen Argumenten einen Eigentumserwerb an dem Fahrzeug durch den Kläger und wies die Klage auf Herausgabe des Verkaufserlöses gegen den wahren Eigentümer ab.


(LG Frankenthal, Urteil v. 3.4.2025, 3 O 388/24)

Hintergrund:

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der gutgläubige Erwerb eines nicht im Eigentum des Veräußerers stehenden Gebrauchtwagens in der Regel davon abhängig, dass der Käufer sich vom Veräußerer die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen lässt. Wird dem Erwerber eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt und konnte oder musste der Erwerber die Fälschung nicht erkennen, treffen ihn nach dieser Rechtsprechung keine weiteren Nachforschungspflichten, es sei denn die Gesamtumstände des Verkaufs geben Anlass zu Zweifeln an der Berechtigung des Verkäufers. Die fehlende Gutgläubigkeit ist nach dieser Rechtsprechung in § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB als Ausschließungsgrund ausgestaltet ("es sei denn …. dass er nicht in gutem Glauben ist“). Ein Erwerber muss daher nicht seine Gutgläubigkeit beweisen, vielmehr müssen die Umstände für die fehlende Gutgläubigkeit vom ursprünglichen Eigentümer dargelegt und bewiesen werden. Allerdings kann den Erwerber in Zweifelsfällen eine sekundäre Darlegungslast für seine Gutgläubigkeit treffen (BGH, Urteil v. 23.9.2022, V ZR 148/21).


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